Die Kemerelle Saga: Laya Ihrem Herrscher Willig Zu Diensten


Laya Ihrem Herrscher Willig Zu Diensten -


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Im Thronsaal war es totenstill geworden.

Ein attraktives Lächeln hatte sich auf die Lippen ihres Herrschers geschlichen. Jenes Lächeln, das in den Herzen seiner Untertanen Furcht und Schrecken säte – oder gepaart mit der heißen Leidenschaft in seinen Augen das Herz einer Frau höherschlagen ließ!

Mit jenem Lächeln befahl er tagtäglich Angriffe auf unbedeutende Königreiche jenseits des Meeres, mit jenem Lächeln versklavte er einen wilden Stamm der Kem und mit jenem Lächeln setzte er eine Kette von Ereignissen in Gang, die gut geeignet erschienen, dass irgendein unvorsichtiger Narr seinen Kopf verlor. In jedem Fall hatte niemand anderes etwas zu lachen. Niemand außer ihm – Großkönig Kemilaren, der finstere Gottkönig, der unsterbliche Sohn eines Himmelsboten und der Herr über Leben und Tod in den Ländern Maleyas, Milareines und der halben bekannten Welt.

Er wandte den Kopf und seine göttlichen Augen durchbohrten Laya. Nervös schrak sie hoch und rutschte um ein Haar mit ihren angewinkelten Schenkeln von dem silberbestickten Sitzpölsterchen, das ihm zu Füßen ausgebreitet lag.

„Wie nennt man in EURER Sprache jemanden, der sich für Gold verkauft?“

„Eine … eine HURE, mein Großkönig?“ Laya schluckte. Dieses unzüchtige Wort hatte sie noch nie benutzt. Und – bei allen Unsterblichen – sie hatte ihm dabei auch noch in die Augen geschaut! Ihm, ihrem Gottkönig, obwohl sie das gar nicht durfte – nicht als Frau ihres erbärmlichen Standes.

Er lachte schallend und ließ sich amüsiert in seinem schwarzen Thron zurücksinken – den Blick auf seine Männer geheftet. Er wusste sehr genau, dass im Maleyanischen dieses Wort gar nicht existierte. Dass es erst nach seinen Eroberungen aus dem Milareinischen übernommen worden war.

„Ihr habt es gehört – aus dem Mund meiner SKLAVIN … Sind meine Kommandeure etwa so tief gefallen, dass sie nur noch für Gold anstatt der Ehre kämpfen? Dann sollten sie vielleicht in Erwägung ziehen, das Geschäft zu wechseln, und damit beginnen, in den Hafenstraßen maleyanischer Königsstädte nach Freiern Ausschau zu halten.“

Seine Worte wirbelten durch die Thronhalle wie an anderen Tagen die tanzende Klinge seines tödlichen Schwerts und erzielte dabei dieselbe Wirkung in den Köpfen seiner Untertanen wie blanker Stahl in ungeschütztem Fleisch. Betretene, bleiche Gesichter glotzten ihm entgegen, während sie sich fluchtartig entfernten, um seinen Wünschen Folge zu leisten. Der Thronsaal leerte sich, seine Offiziere salutierten und damit waren die Audienz und der Rat beendet.

Aus den Augenwinkeln sah Laya zu ihm auf. Ihr Herz klopfte. Nichts und niemand konnte ihm etwas anhaben. Denn er war der Mann, der den großen Ozean im Alleingang bezwungen hatte – allen Monstern der Tiefe die Stirn bietend und dem Zorn der Himmelsgötter trotzend. Und sie erinnerte sich, wie sie ihn das erste Mal gesehen hatte.

Unberührbar wie ein unsterblicher Himmelsbote war er am Bug seines mächtigen Trimarans an der Spitze seiner Flotte gestanden – am Tag des Falls von Merlisade, der letzten freien maleyanischen Stadt. Die Faust um den Knauf seines Schwerts geschlossen. Die Augen auf den fernen Horizont gerichtet. Und seine Seemänner hatten jeden seiner Befehle befolgt – ohne dass er etwas hatte sagen müssen. Dabei reichte allein seine Stimme, dass sie aus dem Gleichgewicht geriet.

Aber es gab auch noch eine andere Seite in ihm – eine dunkle, finstere Seite, die roh und wild wie die Welt war, in der sie lebten. Wild wie die hässliche Narbe auf seiner Stirn, um die sich Legenden rankten – und roh wie das Kem-Blut seiner Mutter in seinen Adern. Eine Seite, die immer dann zum Vorschein kam, wenn er sich unbeobachtet wähnte und seinen unsterblichen Vater und alle Götter verfluchte. Genau dieses Temperament, diese Leidenschaft, die ihn als Sterblichen auszeichnete und nicht als Gott – dieses Feuer, das gut geeignet war, sie innerlich in Brand zu stecken – ließ süße Schauer ihr Rückgrat hinabtanzen und ihren Schoß in stiller Sehnsucht nach dem Unbekannten seufzen.

Ja … sie war in ihren Herrscher verliebt – den Sohn eines Gottes. Auch wenn sie es nicht zugeben konnte. Auch wenn sie es nicht zugeben durfte!

Sie errötete und unterdrückte die aufkeimende Hitze in ihrer Mitte.

Das war wahrscheinlich alles nur Einbildung. Sie war schon viel zu lange hier im Palast gefangen, viel zu lange innerhalb dieser Mauern eingesperrt. Und viel zu lange SEINE Sklavin. Außerdem sah er viel zu gut aus. Mit seinen himmlischen Augen, seinem dichten Haar und seinen attraktiven milareinischen Gesichtszügen – daran änderte auch die hässliche, nahezu kreisrunde Narbe an seiner Stirn nichts.

Er war ein Mann, dessen gesamte Erscheinung bewies, dass er zum Herrschen geboren war.

„Mein Großkönig.“ Sie stand mit niedergeschlagenen Augen auf und wandte sich ab.

„Bleib“, verlangte er und streifte sich den ihm lästigen Königsumhang von den Schultern. Zusammen mit seinem Obergewand. Und ein weiteres Mal waren seine gebräunten starken Muskeln nicht zu übersehen, sein gestählter Körper – der Körper eines Fremdländers, dem man die göttliche Abstammung ansah. Sie presste ihre geschwungenen Lippen aufeinander.

Sie konnte ihn sich gut an den weißen Sandstränden Milareines vorstellen. Wie seine kräftigen Schenkel durch die Wellen wateten und er die gefährlichen Raubfische seiner Heimat mit der Harpune erlegte.

„Kein Wunder, dass wir euch kampflos in einer einzigen Nacht besiegen konnten – das maleyanische Hofzeremoniell macht aus stahlharten Kriegern weiche Memmen.“ Jeder seiner Muskeln spannte sich an und er griff nach seinem Schwert. Singend schnitt es durch die Luft – als tanzte es in seinen Armen – und wirbelte über seinen Kopf hinweg. Sein herrlicher männlicher Duft wehte heran.

„Herr.“ Sie senkte in Demut den Blick. Die Maleyani waren keine Krieger. Sie waren Denker, Erfinder und Baumeister. Und in den Straßen der Städte und Dörfer ihres Volkes hatten bereits Laternen gebrannt, als sich seine Vorfahren nachts noch um ein rauchendes, harziges Feuer auf kargem Dschungelboden scharrten.

„Lass mir bitte ein Bad ein. Und halte mir diese speichelleckende Bande von Lakaien und Hofdienern fern. Ich möchte die nächsten Stunden nicht gestört werden.“

Speichelleckende Bande von Lakaien? Die Dienerschaft meinte es nicht böse. Sie tat es allein dem „sitzenden Götterboten mit dem Flammenhaar“ zu Ehren – dem Himmelsboten Maleya. Ob sie ihren Herrn demütig erinnern sollte, dass dieser gelähmt gewesen war? Wohl besser nicht.

„Sehr wohl, Herr …“ Sie hielt den Atem an und blinzelte, um nicht der Versuchung zu erliegen, ihm auf die Muskeln zu starren. Wie oft hatte sie ihn schon wie gerade eben nahezu nackt gesehen? Nur mit dem Schwert in der Hand? Ihr Blick fror jetzt doch an seinen Muskeln fest. „Kann ich Euch sonst noch … zu Diensten sein, Herr?“

Die Spitze seines Schwertes senkte sich langsam in Richtung Steinboden. Und sie stellte sich vor, wie er sein Bad nahm und sie ihm den Schaum von den Schultern wusch.

Sanft hob er ihr Kinn an und betrachtete sie – sah ihr wie so oft in die Augen – und der Sand in der Uhr des ewigen Himmels stand mit einem Mal für einen Herzschlag lang still – einen endlos währenden Augenblick, der es ihm gestattete, durch ihren Körper bis auf den Grund ihrer Seele zu starren. Dorthin, wo er mehr als nur die Sklavin – seinen Besitz – in ihr erkannte und sie als …

… sie als Frau wahrnahm? Als Frau, die ihn begehrte??

Sie errötete hoffnungslos. Nein, dieser Gedanke war natürlich mädchenhaft naiv.

Unzählige Gründe sprachen dagegen. Er war der Großkönig – ein menschgewordener Gott. Der mächtigste Mann aller Königreiche. Und sie war nur eine unbedeutende Sklavin. Wie konnte sie nur hoffen, dass er mehr von ihr wollte?

Wenn er in einem Anfall von Zorn den Dienern sein Trinkhorn hinterherschleuderte oder noch schlimmer sein Schwert – das singend durch die Luft schwirrte und zitternd in den königlichen Holzvertäfelungen der Palastwände stecken blieb – dann fürchtete ihn der Rest der Welt.

Doch genau diese Seite an ihm war es, die ihr diese unerfüllbaren Bilder in den Kopf zauberte. Bilder wie, dass er ihr die Kleider vom Leib riss, sie an den Haaren packte und ihren offenen Mund gegen seinen nackten Schoß drückte – nur um lachend die Bemühungen ihrer heißen Lippen zu genießen, während sie sich um ihn schlossen. Oder dass er sie verkehrt auf seinen schwarzen Obsidianthron setzte. Mit ihren Schenkeln weit gespreizt. Seine Finger in das zarte Fleisch ihrer Pobacken gedrückt. Und sie … und sie …

… sie NAHM?

Sie nahm, wie er sich die gesamte Welt untertan machte??

Sie nahm, als ob es etwas zu bedeuten hätte?

Alles zu bedeuten?

Sie schluckte schwer. Und ebenso schwer klang ihr Atem.

„Ich lasse es dich wissen, Laya.“

Natürlich.

Er hätte sie wahrscheinlich schon längst zu sich in sein Schlafgemach geholt, wenn es ihn danach verlangt hätte. Er konnte ja jede Frau besitzen, die er wollte – maleyanische Prinzessinnen, exotische Schönheiten aus den fernen Jomdah-Ländern, nackte milareinische Kriegerinnen … Zu oft waren die Lustschreie seiner nächtlichen Gefährtinnen aus seinen Gemächern gedrungen. Und zu oft hatten die nicht endenwollenden Liebeslaute Laya am Einschlafen gehindert. Jede Nacht, in der ihm eine ANDERE Frau mit ihrem Körper zu Diensten gewesen war – und NUR für eine Nacht. Denn keiner Einzigen gönnte er die Gunst einer zweiten.

Es schmerzte tief in ihrer Brust, wann immer sie sich daran erinnerte, dass seine Wahl niemals auf sie fiel und er stets anderen Frauen den Vorzug gab. Dass er ihr bisher nie – kein einziges Mal – befohlen hatte, für eine Nacht das Bett mit ihm zu teilen.

Und es auch nie tun würde …