Die Kemerelle Saga: Eingeführt Ins Spiel Der Macht


Eingeführt Ins Spiel Der Macht -


Prolog

„Es war einmal im Land der hundert Königreiche ein Herrscherpaar, das hatte Sohn und Tochter. Der König brachte den Sohn in die Ehe mit, die Königin die Tochter.

Nach der Hochzeit wuchsen Prinz und Prinzessin unschuldig wie Geschwister auf. Der Prinz jedoch verliebte sich auf den ersten Blick in die schöne Prinzessin und die Prinzessin konnte dem Werben des herrlichen Prinzen nicht lange widerstehen. Doch zu ihrem Unglück mussten sie ihre verbotene Liebe geheim halten und als den Traum behandeln, der er war – als Traum für alle Zeit.

Doch dann geschah, womit niemand rechnete.

Um das familiäre Band zu stärken, wurde vom Königspaar beschlossen, dass Sohn und Tochter heiraten sollten.

So kam es, dass der herrliche Prinz seine geliebte Prinzessin zur Frau nehmen durfte und sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage lebten …“


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„Ich bringe ihn um!“, kreischte Johara patschnass. „Diesmal mache ich es wirklich! Ich bringe diesen verdammten Mistkerl um!“

„Von wem redest du, Jo?“ Besorgt kam Diljana herangeeilt.

„Von meinem Arsch von Stiefbruder natürlich! Von wem sonst?!“

Das gab ja sicher ein urkomisches Bild ab, wie sie da bis auf die Knochen durchnässt im königlichen Springbrunnen saß und ihr das Wasser hinunterlief. Bei allen Sendboten des Allerhöchsten! Durch die hauchdünne, nasse Seide ihres Kleids sah man ihre Brüste. Wie sie hart und prall gegen das kalte Wasser drückten. Ihre steifen Nippel. Ihre Pobacken. Man sah einfach alles. Sogar ihre Klit. Das war sooo peinlich! Zum Davonlaufen! So konnte sie nicht aus dem Brunnen und schon gar nicht zurück in ihr Gemach. Alle Palasthuren würden sehen, was passiert war. Und die männlichen Sklaven sowieso! Und daran war nur Sot schuld. Sot ganz allein!

„Sot?“, fragte Diljana und reichte Jo die Hand. Alle anderen Untertanen und Palastdiener, die es noch nicht getan hatten, suchten fluchtartig das Weite.

Jo überlegte, ob sie Diljanas Hand ergreifen sollte. Zögerte jedoch.

„Ja, der Prinz von Soleters Gnaden. Die Krone der Schöpfung!“

Sots Lachen hallte durch den Palastgarten.

„Wenn er mir jetzt auch noch mein Kleid klaut – ich schwöre – dann bringe ich ihn endgültig um.“

„Das wird wohl kaum passieren.“ Mit einem Nicken gab Diljana zu verstehen, dass sie ihr Kleid ja anhatte und er es ihr unmöglich entwenden konnte, ohne es komplett zu zerreißen. Doch bei Sot war nichts unmöglich. Er hatte es ja sogar geschafft, ihr das Höschen zu klauen – während sie es noch anhatte!! Gerade vorhin!! Deswegen war sie ja auch in den Springbrunnen gefallen. Allein der Gedanke, dass sie jetzt nichts mehr drunter trug, trieb ihr die Röte ins Gesicht.

„Brauchst gar nicht so blöd zu lachen!!“, schickte sie wütende Blicke quer durch den üppig bewachsenen Palastgarten, konnte Sot aber natürlich nirgends finden. Er war schon immer sehr schnell mit seinen langen Beinen gewesen.

Und das Schlimmste war – sie fühlte sich total erregt. Aber so was von erregt. Allein seine Finger zwischen ihren Schenkeln zu spüren, hatte ihr besser gefallen, als es hätte dürfen.

Aber Sot war einfach Sot.

Ein kompletter Idiot!

„Ich kann nicht raus!“ Jo presste die Lippen zusammen. Auf die schadenfrohen Fratzen der anderen hatte sie nicht die geringste Lust.

„Oh“, nickte Diljana verständnisvoll, als hätte sie sofort den Grund dafür verstanden. Wahrscheinlich hatte sie das auch. „Warte ich …“ Sie sah sich in alle Richtungen um. „Ich hole dir ein Handtuch … Ich werde …“ Sie lief los.

Jo verdrehte die Augen und seufzte. Das lustvolle Gefühl in ihrem Schoß wollte einfach nicht verstummen. Wie lange sollte sie hier jetzt warten? Im königlichen Springbrunnen?

Ein wohlbeleibter Mann mit breitem Gürtel, nacktem Oberkörper und blauen Seidenhosen trat in den Garten. Der oberste Palasteunuch. Seine kleinen Augen erspähten sie sofort, wie sie sich da am Beckenrand festhielt.

„Prinzessin Johara“, nickte er. „Der König und die Königin wünschen, Euch umgehend zu sprechen.“

„Ich kann nicht. Ich bin gerade beschäftigt.“

„Die Königin sagte ‚unverzüglich’.“ Seine Augen wurden gefährlich schmal.

Jo kreischte auf.

Bei Soleter im Himmel! Ihr Höschen war futsch!! Jawohl – futsch!! Und Diljana … Sie brauchte gerade hundert Jahre, um ein Handtuch zu finden. Als gäbe es in dem ganzen verdammten Palast kein einziges verfluchtes Handtuch!

Der Palasteunuch nahm sie in seine starken Arme und hob sie aus dem Brunnen, als wöge sie gar nichts. Und genauso stellte er sie auf dem weichen Gras ab. Das Wasser bildete eine Pfütze bei ihren nackten Zehen. Bei allen Sendboten des Himmels. Ging es denn noch erniedrigender?! Sicher beobachteten die anderen sie gerade und lachten sich halb tot.

Sie überlegte, ihre Hände vor Brüste und Schoß zu halten, doch das hätte sicher noch alberner ausgesehen. Eigentlich war ihr Kleid ja pink, jetzt leuchtete die nasse Seide violett.

„Ich kann selber gehen“, schnauzte sie und folgte dem Eunuchen in das Innere des Palasts und durch die breiten Säulengänge weiter in den Thronsaal. Und wie sie gedacht hatte – überall grinsende Gesichter und verstohlene Blicke. Jeder tat, als würde er es nicht bemerken. Aber am Gemurmel und an der Art, wie sie die Köpfe abwandten und trotzdem hersahen, war ersichtlich, dass die Knospen und Höfe ihrer Brüste kein Geheimnis mehr waren und der schmale, schwarze Schamhaarstreifen ihres Schoßes schon gar nicht. Genauso gut hätte sie nackt rumlaufen können. Das würde Sot ihr büßen! Jawohl – büßen!!!

Die doof glotzenden Wachen schlossen die Tore des Thronsaals hinter ihr und König und Königin starrten sie von ihren Herrscherstühlen aus an. Die beiden sahen gut aus für ihr Alter. Wie ein Traumpaar. Und Sot, dieser … dieser Schwachkopf sprang leichtfüßig zwischen den Marmorsäulen hervor und stellte sich mit einem schiefen Lächeln neben sie.

„Bist ja ein richtiger Hofnarr, Sot“, zischte sie wütend.

„Und du eine humorlose Zicke.“

„Idiot!“

„Verklemmte Schreckschraube.“

„Geistiger Schwachmatt.“

„Prüde Jungfer.“

„Dummschwätzer!“ Sie blies genervt die Luft aus und betrachtete ihn aus den Augenwinkeln. Wenn er nur nicht so gut ausgesehen hätte! Warum fiel es ihr so unsagbar schwer, lange böse auf ihn zu sein? Er konnte ein richtiger Arsch sein und …

Der König räusperte sich vernehmlich. Er war nicht gerade über die Unruhe in seinem Thronsaal erfreut.

Jo schloss den Mund und blickte zu Boden. Man brauchte sie nicht ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie nur deswegen Prinzessin geworden war, weil ihre Mutter Sots Vater geheiratet hatte. Das hörte sie jeden Tag und es hing ihr schon langsam zum Hals raus.

„Sotelabhei, Johara …“, begann ihre Mutter. „Wir haben euch eine Ankündigung zu machen.“

Jo unterdrückte ein Seufzen. Wieder eine allmonatliche Ankündigung … Das war jetzt schätzungsweise die dreihundertfünfzwanzigste, obwohl … das ging sich rein rechnerisch nicht aus. Da hätte sie ja doppelt so alt sein müssen. Na ja, fast …

Um was ging es denn diesmal? Die Küchenbediensteten nicht mehr nerven und Essen nach Mitternacht bestellen? Oder nicht mehr den Mädchen die Höschen klauen? Das ging rein auf Sots Kappe. Dabei … Wenn er nicht so ein Arsch gewesen wäre, hätte sie ihn küssen können. Seine Lippen verschlingen und … wer weiß, was noch alles.

Sie musste urplötzlich lächeln.

Es war bereits eine geraume Zeit her, dass er ihre Puppen versteckt hatte. Eine hatte er sogar in Brand gesteckt. Als der Vorhang dann auch noch Feuer fing, war das Durcheinander perfekt gewesen. Aber … Das war lange her und seitdem viel passiert. Einmal, in einem schwachen Moment – einem sehr schwachen und diese Momente gab es öfter, als Klein-Soti zugegeben wollte –, hatte er verkündet, dass er schon, als er sie das erste Mal sah, gewusst hätte, dass er sie wollte. „Jo wird mal meine Frau“. Das hatte er gesagt.

Und sie selbst … Nach diesem Geständnis war es um sie geschehen gewesen. Und sie hatte sich nichts Schöneres vorstellen können, als ihn zu heiraten und ihm zu gehören.

Sie schüttelte den Kopf und seufzte.

Kinder … Was wussten die schon?

„Euer Vater und ich haben beschlossen, eure Verlobung bekannt zu geben.“

Jo klappte das Kinn herunter. Sie hörte die Worte zwar, aber irgendwie waren sie nur eine sinnlose Aneinanderreihung von Buchstaben, Klangfolgen und Lauten. Irgendetwas mit Verlobung … Verlobung?? Diese drei Silben ergaben doch überhaupt keinen Sinn. Nicht den geringsten.

Unbeeindruckt sprach die Königin weiter.

„Ihr beide werdet …“

Verlobung? Etwa …

Heirat???

Diesen Idioten?!

„Niemals“, kroch es ihr über die Lippen.

„Eher friert die Hölle zu!“, knurrte Sot mit einem Nicken.

Dann waren sie wenigstens einmal einer Meinung!

Es wurde urplötzlich still im Thronsaal. Nur das Tropfen von Wasser war zu hören. Das Tropfen von Wasser, das zu ihren Füßen auf dem Marmorboden eine Lache bildete.

Die Königin runzelte fassungslos die Stirn.

„Sag mal, Kind, warst du etwa gerade schwimmen?!“