Die Kemerelle Saga: Die Gefangene Der Drachenkrieger


Die Gefangene Der Drachenkrieger -


1

„Was tut Ihr hier in meinem Palast?! Ungewaschen, unrasiert und verschwitzt?“

Überheblich lehnte sich Alssakira – Königin Alssakira, wie es eigentlich heißen musste – in ihrem mit grünem Samt gefütterten Seidenthron zurück und musterte uns mit Augen, die wie zu Glas erstarrte Wasserfälle funkelten.

Ich hielt unwillkürlich den Atem an, und Aren und Kolo erging es nicht anders – und das, obwohl wir schon viele Frauen kommen und gehen gesehen hatten. Sehr viele. Was für ein Gesicht! Zum Verlieben schön. Sicherlich existierte kein Mann auf der Welt, der ihr nicht sofort verfiel, den sie nicht mit Leichtigkeit um den kleinen Finger wickeln konnte oder mit ihren sündig geschwungenen Lippen verzaubern. Ihre Haut – oder zumindest das, was man von ihr sah – schimmerte herrlich dunkel und war ebenso geheimnisvoll wie das Land, dem sie entstammte. Ihr langes, dunkelbraunes Haar war zu einem kunstvollen, jomdahnischen Knoten gebunden und glänzte seidig im flackernden Licht der Feuerschalen. Das verlieh ihr etwas Zeitloses. Etwas Elegantes. Und ihr blutrotes Gewand … Es war so hauchdünn, dass ich jeden Muskel ihres makellosen Körpers darunter erkennen konnte. Sie war eindeutig keine dieser verwöhnten Prinzessinnen, denen es an Bewegung mangelte. Nein, sie war eine Königin mit dem unvergänglichen Mienenspiel einer Unsterblichen, das sogar Dichter erröten ließ. Und erstrahlte im Glanz einer Sternenbotin aus längst vergangenen Epochen.

Ihr zu Füßen kniete ein nackter Kumaa. Er trug nicht mehr als ein Lederhalsband und goldene Ketten, die seine Scham bedeckten. Mit gesenktem Blick streichelte der kräftige Sklave ihre Beine und gab sich redlich Mühe, seiner Herrin Entspannung zu bereiten.

Doch sie nahm die bemitleidenswerte Kreatur gar nicht wahr. Stattdessen spielten ihre Fingerspitzen mit ihrem Gürtel aus hauchdünner Bronze und Steinen schwarz wie Obsidian, der ihre schmale Taille so wundervoll in Szene setzte … und ihre zum Seufzen schönen Hüften.

Sie war nicht immer eine Königin gewesen. Nicht einmal von königlichem Blut. Zu gern hätte ich gewusst, was ihr Geheimnis war. Wie sie es ganz nach oben geschafft hatte.

Ich musste mich zwingen, woanders hinzusehen und sie nicht mit meinen Blicken zu vögeln. Sonst wäre mir einiges entgangen … In ihren Augen flackerte Überraschung. Und da war auch so etwas wie helle Panik, die ihn ihr hochbrodelte. Sie versuchte, beides mit ihrem Zorn zu überspielen. Doch selbst ihr Zorn war Fassade. Er diente lediglich dazu, ihre innere Kälte zu verschleiern.

„Ihr seid also zurück“, stellte sie fest und schlug ihre atemberaubenden Beine übereinander. Der Mann zu ihren Füßen setzte stumpf seine Arbeit fort. „Darf ich annehmen, dass unsere Feinde vernichtet wurden?“

„Leider gab es Probleme, Herrin“, eröffnete Aren zerknirscht. Ich war mir sicher, noch nie eine derartige Niedergeschlagenheit in der Stimme meines Bruders gehört zu haben. Dabei behauptete er immer, kein guter Schauspieler zu sein.

„Wir gerieten in einen Hinterhalt“, fuhr Aren fort. „Bis auf ein Dutzend sind unsere Männer alle tot. Uns gelang nur mit knapper Not die Flucht.“

„Dann seid ihr also gescheitert.“ Sie schien darüber erleichtert zu sein und ließ sich zu einem eisigen Lächeln hinreißen. Ihre Stimmlage troff vor Hohn. „Ihr seht blass aus … Vielleicht war der Einsatz im Spiel um die Macht doch ein wenig zu hoch für … einfache Prinzensöhne.“

„Dieses Land …“, sinnierte Aren. „Es birgt wohl mehr Geheimnisse, als wir dachten.“

„Ihr habt also die Schlacht gegen die ‚Diebe’ verloren“, fasste sie mit steigender Genugtuung zusammen und rieb ihre Handflächen aneinander. „Nun … Das hier ist ja auch das Land der ‚einhundert Königreiche’ – Jomdah. Ein Land für Erwachsene. Nicht für Kinder …“ Sie wartete ab, welche Wirkung ihre Spottworte erzielten.

Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Aren tat, als müsste er sich beherrschen, und Kolo … Der Mann stand einfach wie eine aus schwarzem Marmor gemeißelte Statue da. Gut sahen wir nicht mehr aus. Alle drei nicht. Unsere Rüstungen waren von unzähligen Schwerthieben zerbeult, die Kettenhemden zerrissen und wir von Kopf bis Fuß von Blutspritzern besudelt. So kamen eindeutig Männer daher, die nicht mehr als ihr Leben hatten retten können.

„Damit ist unser Pakt wohl hinfällig, nicht wahr?“, triumphierte sie. „Das maleyanische Reich versprach Schutz, den es jedoch nicht zu gewährleisten vermag … Sagt, wie ‚mächtig’ kann Euer ‚allmächtiger’ Gottkaiser sein, wenn seine Soldaten nicht einmal in seinem eigenen Herrschaftsbereich sicher sind?! Aber keine Sorge, Seia’Dalsuhub weiß sich zu verteidigen. Seit mein Palast auf diesem Felsen steht, gelang es noch keinem fremden Heer seine Mauern einzunehmen.“

Bei der großen Mutter! Anmutig, wie nur eine Frau es konnte, die um ihre Reize wusste, erhob sie sich von ihrem seidenweichen Thron und stolzierte um uns herum. Mich und Kolo würdigte sie keines Blickes. Oh nein … Sie war ebenso elegant wie tödlich. Ebenso schön wie boshaft. Ich bewunderte ihre wundervolle Körperspannung. Ihren festen Arsch und ihre wohlgeschwungenen Brüste. Wie eng wohl ihre kleine, freche Lusthöhle war? Ob sie sich als wahre Melkmaschine entpuppte? Sicher hätte es sich gelohnt, das herauszufinden.

Mir stieg ihr anregender Duft in die Nase – der Duft von feinstem Öl aus Joral. Bei Milaren, dem alten Säufer! Meine Mundwinkel zogen sich nach oben. Vor allem, weil alles in Arens Gesicht nur eine Botschaft für sie bereithielt – wir wissen, wo du heute Nacht sein wirst, hinterhältige Schlampe, und wir drei werden zu dir kommen und es dir zeigen. Wir werden bis zum Morgengrauen mit deinem Körper spielen, bis du uns um Gnade anflehst. Und du wirst nur ein Wort aus unserem Mund hören …

NEIN!

„Dieses Spiel ist wohl doch noch nicht ganz unseres“, seufzte Aren.

„Noch nicht?!“, empörte sie sich. „Schmeichelt Euch doch nicht selbst – Ihr habt niemals wirklich mitgespielt … Sagt dem allmächtigen Gottkaiser, er soll nächstes Mal richtige Männer schicken und keine … verzogenen ‚Prinzen’.“ Sie spie das letzte Wort wie einen Fluch.

„Sehr wohl, Herrin.“ Aren verneigte sich und die Gefährlichkeit seines Lächelns wurde nur noch übertroffen vom stahlharten Glanz seiner Augen.

Ich atmete zufrieden durch.

Ja. Eindeutig.

Aren hatte einen Plan. Er hatte immer einen Plan. Und seine Feinde würden schon sehr bald nichts mehr zu lachen haben, wenn er erst einmal begann, ihn in die Tat umzusetzen …


2

„Diese Narren!“

Alssakira warf den Kopf in den Nacken und stieß ein Lachen aus, das es bis an die Pforten der Hölle geschafft hätte, wenn sie sich herabgelassen hätte, an so etwas Einfältiges wie die „Hölle“ zu glauben. Manche mochten ihr Reich für die Hölle halten, denn die Kerker von Seia’Dalsuhub – dem „Land der fünf Königreiche“ – waren tief und grauenerregend. In den Zellen, die niemals das Licht der Sonnen sahen, gaben alle ihre Hoffnung auf und ersetzten sie durch Verzweiflung, die nur noch vom gewaltigen Schmerz übertroffen wurde. Denn aus ihren Verliesen gab es kein Entkommen – dafür liebten ihre Kerkermeister ihre Arbeit viel zu sehr.

Sie griff sich eine süße Steppentraube mit bernsteinfarbenem Fruchtfleisch, biss ab und goss sich einen Becher Palmwein ein.

„Wie haben sie es nur geschafft, ihrem Schicksal zu entrinnen? Ich hatte doch befohlen, sie alle zu töten und keinen am Leben zu lassen.“ Sie ließ ihren Blick durch ihr Gemach und hinaus zum Zwiebeldach des höchsten Turms des Palastes schweifen, wo die Flagge von Seia’Dalsuhub mit ihren drei goldenen Sonnen auf schwarzgrünem Grund wehte. „Dafür muss mir Leki Rede und Antwort stehen. Wie konnte er nur zulassen, dass diese drei mit dem Silberlöffel im Mund geborenen Schaumschläger sich erdreisten, lebend zurückzukehren?!“

„Heerführer Leki ist noch nicht wieder zurück, Herrin“, wagte Yuna einzuwerfen und senkte ehrerbietig den Blick.

„Das weiß ich selbst, du nichtsnutziges Stück“, schnauzte Alssakira. „Ich will ihn sofort sprechen. Und wehe, er lässt mich bis nach Sonnenuntergang warten … Dann wird Seia’Dalsuhub einen neuen Heerführer brauchen – einen, der hoffentlich einfallsreicher im Bett ist als er!“

Sie sah auf die Karte ihres Reiches, die den größten Teil der Wand ausmachte. Auf die fünf Königreiche, die sie beherrschte. Auf die vielen Grafschaften und Baronien. Ihr Einfluss reichte bis Dahomdomdahad und Ghadaraan. Bis an die Pforten von Jomjom und Almarkaz. Aber sie konnte diese drei Männer nicht töten lassen?! Lachhaft!!!

Sie schleuderte ihren Becher quer durch das Gemach. Der Wein verspritzte sich auf den kostbaren Marmor. Eine ihrer Gemachsklavinnen beeilte sich, sofort alles aufzuwischen.

„’Allmächtiger Gottkaiser’ – pah!!! Die ‚einhundert Königreiche’ hatten bereits eine Geschichte, als diese Affen noch auf ihrer Insel hausten. Sprachen schon mit den Göttern, als die Maleyani noch vergebens um ihren sitzenden Sternenboten trauerten. Wer sind diese drei Emporkömmlinge schon im Vergleich zum Blut Jomdahs, das durch meine Adern fließt?“ Sie atmete tief durch und stieß ihr höhnischstes Lachen aus. Was hatten diese Kerle groß dafür tun müssen, um Prinzen zu werden – außer im richtigen Bett geboren zu werden? SIE hatte alles aufgeben müssen, um den Königsthron zu erobern. „Wissen sie denn eigentlich, welche der hundert Söhne des Kaisers sie sind?! Und … Was sind das nur für ulkige Narben auf ihrer Stirn? Als hätten sie sich zu oft den Kopf gestoßen …“ Sie zischte wütend. „Ich will, dass sie sterben. Sie dürfen die Grenzen meines Reiches nicht lebend erreichen. Habt ihr gehört?! Ich will ihre gottverdammten Fratzen auf der Spitze einer Lanze sehen!!!“ Ihre Stimme überschlug sich.

„Aber … Aber es sind ‚Drachenkrieger’, Herrin … Söhne des maleyanischen Kaisers und …“

Alssakira spuckte den harten Kern der Steppentraube Yuna vor die Füße und ließ ihr hauchdünnes Gewand zu Boden gleiten.

„Das interessiert mich nicht im Geringsten. Leki soll mich aufsuchen! Sofort!“

„Ja, Herrin!“ Yuna entfernte sich.

Alssakira schüttelte nur mühsam ihren Ärger ab und seufzte.

Zeit, ein ausgiebiges Bad zu nehmen, bevor sie sich entschied, ob ihr Heerführer heute Nacht ihr Bett teilen durfte oder nicht. Ihr Verlobter, Kronprinz Masichon von Ghyrmuhemem, würde jedenfalls in seinem Gemach schlafen – das hatte sie bereits beschlossen.

Sie lächelte.

Oh ja, wenn es eine Hölle gab, war sie – Königin Alssakira und nur sie allein – ihre unumstrittene Herrscherin …